Die Bernina-Gruppe mit ihrer geballten Gipfelprominenz gehört für mich zu einem der schönsten Hochtourengebiete der Alpen. Vor acht Jahren habe ich zum ersten Mal die Gipfel des Palü und vor allem seine unglaublich spektakulären Nordabbrüche bewundert. Zu dieser Zeit gehörten die schweren Routen in diesem Gebiet definitiv noch in die Kategorie „Träume“.Über die Jahre und vor Allem die regelmäßigen Besuche in der Bernina-Gruppe stieg das bergsteigerische Niveau und somit auch die Zielsetzung. Der Bumillerpfeiler war mir von Anfang an ein Begriff, speziell aus dem Grund weil er in dem Gebiet, die bekannteste Schwere Route darstellt und auch mit ganz beachtlichen Schwierigkeiten aufwartet. Die Grundvorraussetzungen und Fähigkeiten wie das Einrichten von Standplätzen und Zwischensicherungen mit mobilen Mitteln wie Friends und Keilen, sowie das Klettern im oberen Fünften Schwierigkeitsgrad mit Bergschuhen, schwerem Rucksack und ggf. Steigeisen sortiert dann auch das Zielpublikum etwas aus.
Am 16. August war es dann endlich soweit. Der Wetterbericht versprach drei Tage stabilen Hochdruckeinfluss, die Verhältnisse im Pfeiler waren der Webcam nach relativ schneearm und mit Alex auch schnell ein absolut zuverlässiger Partner gefunden.
Eher gemütlich startet
der erste Tag mit der dreistündigen Anfahrt von Rosenheim nach Pontresina und
dem Packen des Rucksacks am Parkplatz der Diavolezza-Bahn. Wers bequem mag
nimmt die Bahn (24 SFr) und schläft dann im Berghaus Diavolezza (ab 69 SFr).
Für Puristen und Sparfüchse bieten sich für die 1000 Hm zwei
Aufstiegsmöglichkeiten, entweder über eine direkte Forststraße oder einen
schönen Wanderweg. Wir entscheiden uns für die Straße, da wir unsere Rucksäcke
durch das üppige Abendessen mit entsprechenden Getränken, Zelt, Schlafsack usw.
nicht unnötig lange am Rücken haben wollen. Auf dem Zustiegsweg zum
Gletscherbecken finden wir schnell einen geeigneten bereits vorbereiteten Biwakplatz
zum Kochen und Nächtigen.
Um 3.30 geht der Wecker.
+5°, aber Sternenklar. Damit ist es entschieden, die prinzipiell schnellere,
aber objektiv gefährlichere Eisvariante für das erste Drittel des Pfeilers
fällt flach. In 1,5 h erreichen wir den Felseinstieg und können bereits um 6.00
Uhr die erste Seillänge klettern. Außer uns befinden sich noch zwei weitere
Seilschaften am Einstieg denen wir durch einen direkten Versuch (so 6+/A1) zu
Entkommen versuchen. Ich höre nur unter mir einen der anderen Kletterer so
etwas sagen wie: „das sind sicher Engländer, so einen Sch*** wie die klettern“.
Egal, keil, Exe,Schlinge reintreten und weiter, so wird es wenigstens warm.
Trotz des Verhauers sind wir schnell außer Sichweite, also mindestens 3-4
Seillängen vorraus, was auch den ganzen Tag so bleiben soll. Der Fels ist hier
meist sandig, brüchig, mit Schuttbändern durchsetzt, aber immer wieder mit
netten Kletterstellen im 4-5 Grad garniert. Nach 2 Stunden in zunehmend
kompakter werdenden Fels stehen wir am Firngrat und gönnen uns eine erste
Pause.
Weiter geht es jetzt mit
Steigeisen über den ca. 200m langen Firngrat der direkt in den
Schlüsselwandteil der Tour führt. Plattiger, rissiger, meist kompakter Granit
der zwar ganz gut abzusichern, aber an
einigen Stellen vereist und beschneit ist. Die Steigeisen bleiben also dran,
was lediglich auf den Platten ein bischen psycho ist. Nach ca. 12-14 Sl in
konstanter Schwierigkeit und evtl. nicht immer auf dem leichtesten Weg stehen
wir um 13.00 Uhr an der Gipfeleiswand.
Fast schon enttäuscht erblicke
ich das letzte klägliche, 60° steile Drittel der bekannten Eisnase, die ich 2
Jahre zuvor noch in überhängender Pracht aus dem Ostpfeiler bewundern durfte.
Na gut, dann eben gemütlich am laufenden Seil und über die letzten 500m zum Gipfel.
Beim Abstieg über den Normalweg schweifen dann die Gedanken und Blicke schon
wieder ab…


